Management von Erwartungen für Führungskräfte

Im Blindflug zum Erfolg oder ins Burnout?

Eine kleine Anekdote: Eine neue Geschäftsführung fragt den langjährigen Vorstand nach den Erwartungen an sie als neue Führungskraft der Organisation. Im Raum bleibt es absolut still. Nach längerer Stille erklärt der Präsident, dass sie es einfach gleich, wie die Vorgängerin machen soll. Nochmals herrscht Stille. Auf die Frage der neuen Geschäftsführung, was dies denn heisse, wird ihr gesagt, dass sie den Laden einfach am Laufen halten soll.

Motivierend? Zielführend? Erfolgsversprechend?

Willkommen im Blindflug der Erwartungen.

In diesem kleinen Beispiel hört man zwischen den Zeilen ganze Geschichten, subjektive Wahrnehmungen, ein Sammelsurium von unausgesprochenen Erwartungen. Leider geschieht es häufig, dass Vorstände und Stiftungsräte die Arbeit scheuen sich wirklich ihrer Erwartungen an eine Geschäftsführung bewusst zu werden und diese dann auch transparent zu kommunizieren. Allzu häufig bewegen sich die Führungskräfte in einem Blindflug von unausgesprochenen Erwartungen. Wiederum bleibt der Führungskraft auch häufig kaum Zeit sich ihrer Erwartungen an den Vorstand und an das Team bewusst zu werden.

Was sind denn überhaupt Erwartungen?

Erwartungen sind weder messbar, noch objektiv, noch logisch. Es sind subjektive Wahrnehmungen, welche angereichert werden mit Emotionen, Erfahrungen, gesellschaftlichen Normen und einen Schuss Sachlichkeit. Die Sachlichkeit wird dabei immer in den Vordergrund gestellt, ohne sich der impliziten Annahmen bewusst zu sein.

Was wird von mir als Führungskraft erwartet?

Implizit haben wir alle Erwartungen aneinander, doch häufig werden diese Erwartungen nicht explizit kommuniziert, da diese entweder nicht klar sind oder angenommen wird, dass das Gegenüber das dann schon weiss. Insbesondere wenn eine Führungsrolle in einer neuen Organisation übernommen wird, besteht das Risiko den unterschiedlichen Erwartungen nicht gerecht werden zu können. Die ungeschriebenen Gesetze, welche in keinem Stellenbeschrieb je erwähnt werden, dürfen erlernt werden. Der Schatten der früheren Führungskraft kann plötzlich sehr lang und die zu füllenden Schuhe sehr gross werden.

Wie klar kommuniziere ich als Führungskraft meine Erwartungen?

Auch jede Führungskraft hat Erwartungen an die anderen, ob es nun der Vorstand, die Abteilungsleiter, die Mitarbeiter, etc sind. Wie bewusst bin ich mir, dass meine Erwartungen auch nur eine subjektive Wahrnehmung sind, welche angereichert wird mit Emotionen, Erfahrungen, gesellschaftlichen Normen und einen Schuss Sachlichkeit? Einige würden hier wohl Widersprechen, da beispielsweise die Erwartung, dass ein Projekt termingerecht in der definierten Qualität finalisiert wird, doch klar messbar und sachlich ist. Erwartungen sind jedoch keine Aufgaben oder Ziele. Erwartungen sind die subjektiven Wahrnehmungen der objektiven Aufgaben/Ziele.

Welche Erwartungen habe ich an mich als Führungskraft?

Hier wird es besonders spannend, da es hier um Selbstreflektion und Selbstführung geht. Dies ist der Teil in Führungsseminaren, die häufig zu wenig angeschaut wird. Es wird häufig von Unternehmensführung oder Teamführung gesprochen. Doch wie gehe ich mit mir selber um und welche Erwartungen habe ich an mich selber? Auch hier gibt es keine messbaren Grössen und ein grosser Teil bewegt sich in unbewussten Annahmen, vorgelebten Mustern und vorgefertigten Glaubenssätzen.

Wie kann ich als Führungskraft denn mit Erwartungen umgehen?

Als Erstes einmal hilft das Wissen schon, dass Erwartungen da sind und diese kaum einmal vollständig transparent sind. Viele Erwartungen werden nie kommuniziert, weil sich die Leute nicht die Zeit nehmen zur Reflektion, die Erwartungen im Unterbewusstsein bleiben, mit Vorurteilen (bsp Frauen in der Führung) oder Ängsten (bsp Jobverlust) behaftet sind oder auch das Vertrauen fehlt offen zu kommunizieren.

Als Zweites braucht es mehr Informationen. Durch Beobachten, Fragen stellen, gutes Zuhören und Selbstreflektion kommt etwas Transparenz rein. Eine Auflistung oder auch ein 360Grad Feedback kann hilfreich sein um sich der Erwartungen unterschiedlicher Anspruchsgruppen bewusst zu werden, die eigenen Erwartungen aufzuzeigen, die Differenzen zu sehen und damit eine Grundlage zu schaffen, eine Veränderung zu erreichen. Neben Anspruchsgruppen im Arbeitskontext lohnt es sich auch die Erwartungen von sich an sich selbst und diejenigen von privaten Akteuren (bsp Familie) zu reflektieren.

Als Drittes darf das Bewusstsein verinnerlicht werden, dass man nie allen Erwartungen entsprechen kann und das ist okay.

Als Viertes braucht es eine klare Kommunikation, welche Erwartungen erfüllt werden können und welche auch nicht erfüllt werden können. Dieser Schritt der klaren Abgrenzung ist essentiell um erfolgreich als Führungskraft agiern zu können und macht einen guten Leader aus. Es macht die Führungskraft fassbarer, klarer und damit erfolgreicher.

Eine klare Abgrenzung ist eine der wichtigsten Faktoren um die Resilienz einer Führungskraft aufrechtzuerhalten. Intransparente Erwartungen und schwammige Verhältnisse sind Nährboden für Stress. Angereichert mit unreflektierten Erwartungen an sich selbst, steigt die Gefahr eines Burnouts exponentiell.

Fazit

  • Jede Führungskraft bewegt sich in einem Umfeld von unterschiedlichen Anspruchsgruppen.

  • Die unterschiedlichen Anspruchsgruppen haben unterschiedliche Erwartungen an die Führungskraft und umgekehrt.

  • Erwartungen sind weder messbar noch sachlich. Es sind subjektive Wahrnehmungen der Welt.

  • Je klarer die Erwartungen, desto erfolgreicher ist eine Führungsperson und desto grösser ist die Zufriedenheit aller Beteiligten.

  • Man kann nie allen Erwartungen entsprechen (auch den eigenen!) und das ist okay.

  • Ein bewusstes Erwartungsmanagement ist eine aktive Burnout Prävention.

  • Ein Coaching oder ein Sparring kann hilfreich sein, sich der Anspruchsgruppen bewusst zu werden, die Erwartungen aller beteiligten zu reflektieren, Unterschiede herauszuarbeiten und konkrete Handlungsschritte zu definieren. Auch in der Selbstreflektion der Erwartungen an sich selbst kann ein Sicht von aussen helfen um blinde Flecken und Glaubenssätze zu finden und umzuwandeln.

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Resilienz ist ein Prozess